Der Eichenprozessionsspinner (Thaumetopoea processionea L.)

Der Eichenprozessionsspinner (BF: 8,4 - 57 / 78 + 89), abgekürzt EPS, spielte bisher forstlich eine eher untergeordnete Rolle. In wärmebegünstigten Gebieten hat sich der EPS jedoch zu einem bedeutsamen Schadinsekt entwickelt.

Vor allem wegen der humantoxikologischen Brennhaare der Raupen erhält er in und in der Nähe von Siedlungen eine überaus hohe Aufmerksamkeit. Der EPS ist eine thermophile Art und ist deshalb an Solitäreichen und besonnten Waldrändern zu finden. Aber auch innerhalb von Beständen und sogar in Jungbeständen können Raupen und Nester gefunden werden (eigene Erfahrungen), wenn eine warme Witterung dies begünstigt.

 

Ei-Stadium

Die mohnkorngroßen, silbergrauen Eier werden im August dicht an ein- bis dreijährigen Zweigen in der Oberkrone abgelegt. Das Gelege bestehend aus 100 bis 200 in regelmäßigen Zeilen abgelegten Eiern, hat eine längliche Plattenform und ist ca. 20 mm lang und 5 mm breit. Sie werden mit einer kittartigen Substanz und Afterwolle abgedeckt. Das Embryo entwickelt sich noch im Herbst und die Jungraupe überwintert im Ei. Temperaturen bis -28°C können sie überleben.

 

Larven-Stadium

Die Raupen schlüpfen Ende April bis Anfang Mai. Seit 2008 wurde jedoch mehrfach festgestellt, dass die Eiräupchen schon Anfang April schlüpfen, wenn es überdurchschnittlich warme Witterungsphasen gibt. Sie entwickeln sich bis Juli in 6 Larvenstadien. Im ersten Larvenstadium sind sie rotbraun. Ab dem zweiten Larvenstadium sind die Raupen grau, haben eine dunkle Rückenlinie und lange silbrige Haare. Ab dem 3. Larvenstadium werden die humantoxikologischen Brennhaare (früher auch Reizhaare genannt) gebildet, die auf den rötlich-braunen Spiegelflecken der dunklen Rückenlinie sind. Im letzten Larvenstadium erreichen die Raupen eine Länge von bis zu 4 cm.

Die gesellig lebenden Raupen vereinen sich nach dem Schlüpfen in kleinen Spiegeln und fressen sofort an den anschwellenden und austreibenden Knospen. Sie wandern prozessionsartig, daher der Name Eichenprozessionsspinner, zwischen Fraß- und Ruheplatz hin und her. Abends wandern sie zum Fraßplatz und morgens zum Nest zurück. Jedoch kann man auch tagsüber das Wandern beobachten. Während die Junglarven einreihig wandern, sind es in späteren Larvenstadien breite mehrreihige Prozessionen, die mehrere Meter lang sein können. Festgestellt wurde, dass die Raupen aus einem Gelege zusammenbleiben und nach späterer Vereinigung mit anderen Familien auch die Nachbarn in der Prozession dieselben sind.

 

Prozession des Eichenprozessionsspinners.

Abb. 1: Prozession des Eichenprozessionsspinners.
(Bild: M. Wiesrecker, mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt)

Die Raupen ernähren sich von Eichenblättern, wobei junge Blätter ganz gefressen werden und bei älteren Blättern das Rippengerüst stehen bleibt. Am Ruheplatz, wo sich die Raupen ausruhen und häuten, spinnen die Raupen intensiv. Ab dem 5. Larvenstadium sind die typischen Nester deutlich zu erkennen. Diese können nur faustgroß, aber auch bis zu 1 Meter lange Säcke sein. Die Nester werden meist am Stamm unterhalb eines Astansatzes oder am Stammfuß angelegt. In den Nestern sind Häute und Kot der Raupen zu finden. Wenn ein Baum kahl gefressen wurde, wandern sie zum nächsten belaubten Baum, suchen jedoch täglich ihre alten Nester wieder auf. Überladene Nester können von den Bäumen abfallen und kann durch Wind begünstigt werden.

 

Blattfraß des Eichenprozessionsspinners, bei älteren Blättern bleibt nur noch das Rippengerüst übrig.

Abb. 2: Blattfraß des Eichenprozessionsspinners, bei älteren
Blättern bleibt nur noch das Rippengerüst übrig.

Nest am Stamm unterhalb eines Astansatzes.

Abb. 3: Nest am Stamm unterhalb eines Astansatzes.

 Nest am Stammfuß.

Abb. 4: Nest am Stammfuß.

Brennhaare der Raupen und humantoxikologische Wirkung

Ab dem 3. Larvenstadium entwickeln die Raupen Brennhaare. Eine ausgewachsene Raupe besitzt 600.000 bis 700.000 Stück, welche mit bloßem Auge nicht zu sehen sind und 0,1 bis 0,2 mm groß sind. Die Haare können durch Wind weit verdriften. Sie haben Spitzen, die sich in die Haut bohren und sie reagiert mit roten, juckenden Pusteln. In den Brennhaaren ist das Nesselgift Thaumetopoein, das bei Brechen der Haare freigesetzt wird. Heftige allergische Reaktionen, wie Hautentzündungen, Schwindel und Fieber, können folgen. Asthmatische Reaktionen oder Bronchitis können beim Einatmen auftreten. Bei Vorbelastungen kann es zu Atemnot und allergischen Schocks kommen. Auch Augenreizungen können auftreten. Wenn die Reaktionen über die eines Mückenstichs hinausgehen, sollte ein Arzt konsultiert werden.

Die Brennhaare behalten ihre toxikologische Wirkung mindestens 2 Jahre. Somit geht von den Gespinsten, in denen die Häutungsreste der Raupen sind, und von den Haaren, die an der Vegetation haften, noch lange Gefahr aus. Auch für Hunde besteht ein hohes Gefahrenpotenzial für die Atemwege, weil sie am Boden mit der Nase suchen und an heruntergefallenen Nestern Interesse zeigen.

Nest mit Kot und Häuten. Die Brennhaare der Häute behalten noch mindestens 2 Jahre ihre toxikologische Wirkung.

Abb. 5: Nest mit Kot und Häuten. Die Brennhaare der Häute behalten noch mindestens 2 Jahre ihre toxikologische Wirkung.
 

Heruntergefallene Nester sind nicht nur eine Gefahr für Zweibeiner, sondern auch für Vierbeiner wie Hunde.

Abb. 6: Heruntergefallene Nester sind nicht nur eine Gefahr für Zweibeiner, sondern auch für Vierbeiner wie Hunde.

 

Puppen-Stadium

Ende Juni und Anfang Juli verpuppen sich die Larven. Dies erfolgt in einem grau-braunen lockeren Kokon. Diese Kokons sind im Raupennest oder am Stammfuß wabenartig, dicht nebeneinander zusammen gesponnen. Die Puppen in den Kokons sind ockergelb bis braun. Die Puppenruhe dauert 3-6 Wochen, jedoch können sie auch 1 bis 2 Jahre überliegen.

 

Imago

Der Falter hat eine Spannweite von 25 bis 35 mm. Die Vorderflügel sind gelbbraun bis graubraun und haben 3 verschwommene schwarz-graue Querlinien. Die Hinterflügel sind weiß-grau und die Weibchen haben dunkle Querstreifen. Die Weibchen sind etwas größer als die Männchen. Während die Antennen der Weibchen einfach gebaut sind, haben die Männchen doppelt gekämmte Antennen. Die Weibchen tragen braungelbe Afterwolle am Hinterleibsende. Die Falter fliegen im August und September und sind im Gegensatz zu den Raupen eher unauffällig.

 

Wirtschaftliche Bedeutung

In warmen Sommern neigt der EPS zur Massenvermehrung, die über mehrere Jahre anhalten kann. Dies führt zu Zuwachsverlusten der Eichen und Eichenmasten können ausbleiben. Selten kommt es zum Kahlfraß, jedoch führt mehrmaliger Fraß zum Absterben der Eichen. Er gehört zu der Eichenfraßgesellschaft, die ein wesentlicher Faktor der Eichenkomplexkrankheit ist. Größere wirtschaftliche Verluste entstehen durch die Beseitigung der Nester im Siedlungsraum.

 

Abwehrmaßnahmen und Bekämpfung

Die Raupen, Nester und Puppen können abgesaugt werden. Dabei sollten Spezialfirmen zum Einsatz kommen, die entsprechende Gerätschaften und Schutzausrüstungen haben. Anschließend wird das abgesaugte Material verbrannt. Im April und Anfang Mai des Folgejahres und bei Erkennen eines Erstbefalls im 1. und 2. Larvenstadium sollten die befallenen Eichen mit Bacillus thuringiensis (B.t.-Präparate) behandelt werden. Diese B.t.-Präparate wirken nur an Lepidoptera-Raupen und sind für den Menschen und andere Organismen ungefährlich. Die Anwendung von Häutungshemmern ist auch möglich.

 

Nest des Eichenprozessionsspinners wird abgesaugt.

Abb. 7: Nest des Eichenprozessionsspinners wird abgesaugt.

Mit einer Hubbühne kann nach höher gelegenen Nestern gesucht und ggf. entfernt werden.

Abb. 8: Mit einer Hubbühne kann nach höher gelegenen Nestern gesucht
und ggf. entfernt werden.

Die Nester sollten aus Arbeitsschutzgründen nicht abgeflammt werden. Die Gifthaare wirbeln durch die Wärmeentwicklung auf und die Verdriftung in der Luft wird begünstigt.

Natürliche Feinde des EPS können eine Massenvermehrung nicht wirksam aufhalten. Raupen- und Puppenparasitoide sind Raupenfliegen, Schlupf- und Brackwespen. Eiparasitoide, wie die Erzwespe, haben kaum Bedeutung. Räuberische Gegenspieler sind Waldameisen, Puppenräuber und Raubwanzen. Vögel und Fledermäuse erbeuten die Falter. Hervorzuheben sind der Kuckuck (Cuculus canorus L.) und der Pirol (Oriolus oriolus L), die auch die Raupen vertilgen.

 

 

Literaturhinweise:

  1. LWF (2018): Merkblatt 15 der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft, August 2018, Eichenprozessionsspinner, 4 S.
  2. Majunke, C., Veldman, G. (1990): Manuskript Hochschulstudium Forstingenieurwesen, Forstschutz 4, Biotische Schadfaktoren 1, Nadel- und blattfressende Insekten, Knospen- und Triebminierer, Institut für Forstwissenschaften Eberswalde, Bereich Waldbau/Forstschutz, Abt. Forstschutz, Hauptstelle für Forstpflanzenschutz, Arbeitsgruppe Jena, 63 S.
  3. Pohris, V., Oldenburg, C. (2003): MANUSKRIPT für die FORSTSCHUTZ-Übungen, Teil 3: Ordnung Lepidoptera, Schmetterlinge, TU Dresden, Fachrichtung Forstwissenschaften, Institut für Waldbau und Forstschutz, Professur für Forstschutz, 34 S.
  4. Prien, S. (Hrsg.) et al. (2016): Ökologischer Waldschutz, Für eine biozidfreie Waldwirtschaft, Verlag Eugen Ulmer, 336 S.

 

 

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